Jedes zweite Ehepaar soll künftig weniger Steuern zahlen

Es ist geplant die sog. „Heiratsstrafe“ abzuschaffen. Profitieren würden vor allem Doppelverdiener. Unverheiratete Eltern zahlen zum Teil sogar mehr. Der Bundesrat denkt nicht nur an die Firmen, sondern auch an die Familien: Diese Botschaft wollte die Landesregierung wohl aussenden, indem sie nicht einzig wie erwartet die Steuervorlage 17 für die Unternehmen verabschiedete, sondern auch gleich die Reform zur Beseitigung der Heiratsstrafe bei der Bundessteuer. Mit dieser will der Bundesrat nach vielen erfolglosen Anläufen endlich die letzten Reste der Benachteiligung von Ehepaaren eliminieren. Diese entsteht, weil Verheiratete ihre Einkommen gemeinsam versteuern. Diese werden addiert, womit das Paar in eine höhere Progression gerät als ein Konkubinatspaar mit denselben Einkommen.

6400 statt 3700 Franken

Der Bundesrat will nun, dass die Steuerämter bei Ehepaaren in Zukunft doppelt rechnen: Einerseits sollen sie wie bis anhin die herkömmliche Methode anwenden. Andererseits sollen sie im zweiten Schritt in einem vereinfachten Verfahren berechnen, wie viele Steuern das Paar bezahlen müsste, wenn es nicht verheiratet wäre. In Rechnung gestellt wird schliesslich der tiefere Betrag.
Dieser Vorschlag geht nun an das Parlament. Geht alles gut, kann die Reform 2022 in Kraft treten. Sie bewirkt happige Steuerausfälle von 1,2 Milliarden Franken, wovon eine knappe Milliarde auf den Bund entfällt und der Rest auf die Kantone. Damit sind die «Kosten» für den Bund notabene grösser als bei der Steuervorlage 17 für die Firmen. Der Bund kann sich dies aber dank seiner guten Finanzlage leisten, wie Finanzminister Ueli Maurer gestern klarmachte. Ein neues Sparprogramm sei dazu nicht notwendig.
Nutzniesser wäre etwa die Hälfte der Ehepaare im Land: Laut der Steuerverwaltung müssten insgesamt 850’000 Paare weniger Steuern zahlen als heute. Die grösste Entlastung entfällt auf die Doppelverdiener, die 725 Millionen Franken sparen können. Kleiner wäre der Bonus für die Rentnerpaare (300 Millionen) sowie für die Einverdienerpaare (140 Millionen).
Eine deutliche Sprache spricht eine Tabelle der Steuerverwaltung, die zeigt, wie sich die Entlastung auf die Einkommensklassen verteilt.

Verteilung des Minderertrags nach Einkommensklassen
Steuerbares Einkommen   Minderertrag   Steuerpflichtige Personen
von bis in Mio. CHF in % des
Minderertrages
in % des
Ertrags pro Klasse
in absoluten
Zahlen
in % der
Gesamtzahl
             –        49’900 -3.7 0.3 0.3        2’471’512 54.7
       50’000        99’900 -137.0 11.8 11.8        1’526’087 33.8
     100’000      199’900 -469.2 40.5 40.5           426’589 9.4
     200’000      499’000 -470.0 40.6 40.6            79’483 1.8
     500’000  und mehr -77.9 6.7 6.7            12’164 0.3
 Total   -1157.8 100.0 100.0        4’515’835 100.0

Fast 90 Prozent der Ersparnis kommen Paaren zugute, die steuerbare Einkommen über 100’000 Franken aufweisen. Dabei handelt es sich um eine kleine, feine Minderheit von 11 Prozent der Ehepaare. Das macht es schwierig, die Reform als Wohltat für den Mittelstand zu verkaufen. Allerdings ist die ungleiche Verteilung nicht überraschend, da heute just die Gruppe der Doppelverdiener mit den höchsten Löhnen am stärksten diskriminiert ist – zumal bei der stark progressiven Bundessteuer ohnehin ein kleiner Teil der Steuerzahler den Grossteil der Steuer bezahlt. Als Anhaltspunkt: Ein Ehepaar mit einem gemeinsamen Einkommen von 200’000 Franken brutto bezahlt heute 6400 Franken Bundessteuer. Wäre das Paar ledig, wären es nur 3700 Franken.

Die Kantone bocken

Für eine spezifische Gruppe bewirkt die Reform eine Mehrbelastung: Ledige Paare mit Kindern profitieren heute davon, dass der Bund bei ihnen ebenfalls den günstigen Elterntarif anwendet, obwohl ihre Einkommen gar nicht addiert werden. Das will der Bundesrat nun ändern, womit diese Paare proportional zur Höhe ihrer Löhne mehr Steuern zahlen müssen. Wie viel das ausmacht, kann die Steuerverwaltung nicht sagen, da die statistischen Daten fehlen.
Alleinerziehende hingegen nimmt der Bundesrat von diesem Wechsel aus, da sie ohnehin häufig armutsgefährdet sind. Deshalb plant er neu nebst allen bereits bestehenden Steuerabzügen auch noch einen Alleinerziehenden- Abzug von 11’500 Franken.
Im Parlament sind die Chancen der Reform intakt, weil der Druck, endlich eine Lösung zu finden, gross ist. Gefahr droht am ehesten von den Kantonen: Sie warnen, der Bundesrat mache das Steuersystem nur noch komplizierter. Vor allem regt sie auf, dass ihre Steuerämter wegen der doppelten Berechnung administrativen Mehraufwand haben, den der Bund nicht abgelten will. Ginge es nach ihnen, müsste der Bund ein einfacheres System wie das Splitting einführen, das viele Kantone kennen. Der Bundesrat gibt zu, dass die Kantone in die Informatik investieren und zumindest vorübergehend mehr Personal einstellen müssen.

Quelle: Tages Anzeiger – 22.03.2018

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